DIE PSYCHOLOGIE HINTER PERSONALENTSCHEIDUNGEN

Hand aufs Herz: Falsche Personalentscheidungen möchte man in seiner Berufslaufbahn möglichst vermeiden. Passiert es doch, ist man zumindest im Nachhinein oft schlauer. In einer deutschen Studie gab 1/3 der Personaler/-innen an, im letzten Jahr eine Fehlbesetzung getätigt zu haben. Diese kosten die Unternehmen im Durchschnitt 30.000 bis 100.000 Euro, je nach Funktion. Von der Zeit, die z.B. für Recruiting und Einarbeitung aufgewendet wird, gar nicht zu sprechen. Warum ist es so schwierig, die passenden Leute zu finden?

Bewerberprofile ändern sich

Die Suche nach guten Neuanstellungen wird immer anspruchsvoller, da sich die Profile der Bewerber/-innen ändern. Leistungsbereitschaft geht nicht mehr bis zur Selbstaufgabe und die zunehmende Individualisierung erhöht die Ansprüche. Im Gegenzug wird von den Unternehmen erwartet, dass sie agil sind und die Anforderungen der „New Work“ erfüllen. Eine aktuelle Studie der Hochschule Osnabrück, in der rund 1.000 Personen befragt wurden, zeigt wiederum, welche Strategien von Seiten der Bewerber/-innen angewendet werden, um einen Job zu bekommen. Die Kandidaten/-innen präsentieren das, was die Unternehmen von ihnen hören wollen, und zögern nicht, auch etwas dicker aufzutragen, so Studienautor Uwe Kanning, Professor für Wirtschaftspsychologie der Hochschule Osnabrück.

Hire for mindset

Die Anforderungen an Mitarbeitende in der neuen Arbeitswelt ändern sich ebenfalls. Es geht nicht nur um objektiv messbare Fähigkeiten eines Menschen, sondern vielmehr um das nicht-messbare und situationsbezogene Können. Fähigkeiten wie Frustrationstoleranz, Flexibilität und Intuition werden in dieser sich ständig verändernden Arbeitswelt immer wichtiger. Gezielte Bewerbungsgespräche, in denen man diese Kompetenzen erkennt, sind das Um und Auf. Viele Fragen münden oft in endlosen Erzählungen von Inhalten, die antrainiert wurden und ohnehin dem Lebenslauf zu entnehmen sind. Fragen, die hingegen auf das persönliche „Wofür“ und die Motivation abzielen, geben Auskunft über Arbeits- und Verhaltensweisen sowie die Werthaltungen eines Menschen.

Mensch oder Maschine – objektive Entscheidungen sind eine Illusion

Psychologische Phänomene liefern Erklärungen für Fehleinschätzungen, die häufig bei Personalentscheidungen passieren. Unser Hirn lässt sich regelmäßig von unbewussten Verzerrungen und Vorurteilen, sogenannten Bias, täuschen. Der Confirmation Bias ist ein Klassiker im Recruiting. Dabei selektiert das Gehirn neue Informationen so, dass (nur) die bestehenden Annahmen bestätigt werden. Inhalte, die nicht zu den „Vorurteilen“ passen, werden aussortiert. Das bedeutet, dass wir also nur nach Gründen suchen, warum wir jemand einstellen sollten oder eben nicht. In Wahrheit wollen wir eine Bestätigung unserer Annahmen. Durch regelmäßige Selbstreflexion kann man dem gezielt entgegensteuern.

Der Einsatz von künstlicher Intelligenz im Recruiting führt ebenfalls zu keiner Verbesserung der Treffsicherheit. Und sogar wenn es theoretisch möglich wäre, einen Menschen perfekt zu schubladisieren – dann weiß man immer noch nicht im Ansatz, wie sich dieser in seinem zukünftigen Arbeitsumfeld verhält. Das ist und bleibt komplex und damit Hoheitsgebiet der menschlichen Könnerschaft. Am Ende kommt es darauf an, ob ein Team die geforderten Leistungen erbringen kann, und nicht, ob ein/-e Einzelne/-r über errechnete Fähigkeiten verfügt.
High tech needs high touch

Konkret heißt das, dass wir im Recruiting die Vorzüge der Digitalisierung für die Prozesse nutzen können, die algorithmischen Regeln gehorchen. Überall sonst ist es sinnvoll, eine große Nähe zum zukünftigen Arbeitsbereich herzustellen und die Menschen entscheiden zu lassen. Vertrauen Sie ruhig Ihrem „Bauchgefühl“, denn das führt uns oft zu den richtigen Entscheidungen. Erklärungsmodelle wie die Hypothese der somatischen Marker gehen davon aus, dass emotionale Erfahrungen körperlich gespeichert werden. Dies erklärt z.B., warum wir bei bestimmten Emotionen ein ungutes Gefühl in der Magengegend verspüren.

Es macht also Sinn, sich für das Recruiting der Zukunft zu rüsten, denn die Herausforderungen sind vielfältig. Für uns Menschen wird es dabei wichtig sein, stets reflektiert und veränderungsneugierig zu bleiben.

Mag. Karin Anna Wenzl; Arbeits- und Organisationspsychologin & HR-Expertin

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